"Traditionell" = "verrostet"?
Liebes Internet, ich bin mal wieder genervt. Diesmal von den "traditionellen Medien". Denn diese Medien hängen immer noch am antiquierten Modell der Kundenvergrau... äh... Bindung. Kundenbindung. Doch mal zurück an den Anfang, als ich noch nicht genervt war.
Ich bin gerne informiert, und lese gerne interessante Zeitungsartikel zu irgendwelchen Themen. Nicht täglich, aber oft genug. Heute wollte ich lesen: ein Interview mit Streeck bei der Welt, ein Artikel über Jungautoren bei der Zeit, eine Kolumne über politische Entwicklungen im Kurier, und vielleicht noch eine Reportage über das neue Einkaufszentrum hier um die Ecke in der SZ.
So grundverschieden diese Artikel auch sein mögen, eines haben halle vier gemein: sie verstecken sich hinter einer Paywall. Das ist grundsätzlich gut und fair. Ich lege mir gerne ein Konto bei der entsprechenden Zeitung an, und schalte mir einzelne Artikel gegen eine Einmalzahlung frei.
Wäre 1€ pro Artikel okay...? Für einen Euro bekommst du ein Testabo für einen Monat, danach kostet es <zweistelliger Betrag> monatlich.
Hä, was? Nein, ich will diesen einen Artikel lesen. Mehr nicht. Tut uns leid, einzelne Artikel kannst du bei uns nicht kaufen, aber du kannst ja für einen Euro ein Testabo abschließen. Danach kostet das dann nur <zweistelliger Betrag> pro Monat!
Euer ernst? Ich soll ein Abo abschließen? Für den einen Artikel, den ich lesen will? Ja. Du kannst im Kiosk doch auch nicht sagen "ich will aus der Zeitung diesen Artikel, und aus der den anderen..." Da kauft man doch auch immer die ganze Zeitung.
Ja, genau! Man KAUFT sich EINE Zeitung. Was ihr mir hier vorschlagt, ist ALLE Zeitungen zu MIETEN. Das ist doch was ganz anderes! Aber mit unserem Abo bekommst du immer alle Neuigkeiten.
Alles tendiert zum Abo. Oftmals ist das auch ganz gut: für den Preis einer BluRay bekomme ich ein Netflix-Monatsabo, und kann mir so viele Filme wie ich will ansehen. Komplette Serien kosten auf BluRay gerne mal das vierfache eines Monatsabos. Solange einer dieser Anbieter alles bietet, was ich konsumieren möchte, ist das voll okay. Doch wehe, man sucht etwas bestimmtes. Eh' man sichs versieht, braucht man dann noch ein Abo bei Amazon Prime, eines bei Hulu, bei TVNOW und wie sie nicht alle heißen. Das geht ins Geld, und man beginnt, seinen Konsum nach Anbietern zu sortieren, und diese monatlich zu wechseln. Und solange es nur um reinen Konsum, um "Luxusausgaben" geht, ist das meinetwegen okay.
Doch in dem Moment, in dem es um Information geht, um - im weitesten Sinne - Bildung, erwarte ich eigentlich, dass von den technischen Möglichkeiten Gebrauch gemacht wird. Auf der Seite von Stiftung Warentest kann ich jeden Test einzeln kaufen, als PDF herunterladen, Ausdrucken, meine Wand damit tapezieren... Doch die traditionellen Medien kommen mit der Schnelllebigkeit und der Wechselhaftigkeit der Millenials und jüngerer Generationen nicht zurecht. Dort ist noch der Gedanke der Kundenbindung verankert. Wenn ich einen Leser habe, muss ich diesen um jeden Preis an mich binden. Die Welt ist hierbei noch extremer: hier wird ein Artikel als Teaser online gestellt. Wer ihn lesen will, muss die Printausgabe kaufen.
Vielleicht bin ich auch unfair, und es ist eher der Tatsache geschuldet, dass diverse Artikel sehr kurzlebig sind. Vielleicht hat man auch nicht verstanden, dass das Verkaufen einzelner Artikel ein spannendes Geschäftsfeld wäre. Nicht nur das: ich bin sogar davon überzeugt, dass vielen Zeitungen aufgrund dessen, dass sie die Option, den Zugang zu einzelnen Artikeln zu kaufen, nicht anbieten, potentielle Kunden eher abschrecken.
Denn ich bin mir absolut sicher: ich gebe lieber bei sechs Zeitungen jeweils 10€ für einzelne Artikel aus, als bei einer 30 für das komplette Angebot, von dem mich gerade mal 10% interessieren, nur um dann auf die Angebote der anderen Zeitungen zu verzichten.